Staat für alle

(schwer)
Ist der Staat eigentlich nur für die Reichen da? Oder war es früher so – bevor es eine Sozialversicherung gab?
Dass der Staat sich in höherem Maße seiner hilfsbedürftigen Mitglieder annehme, ist nicht bloß eine Pflicht der Humanität und des Christentums ...
Wilhelm I.
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Kommentar

Das reflexive Verb „sich annehmen“ (mit Genitiv) heißt ungefähr „sich kümmern um“. Nachdem wir das wissen, können wir spekulieren: nicht nur wegen Humanität und Christentum soll sich der Staat auch um die Ärmeren kümmern, sondern?

Hintergrund: Bei dem Text handelt es sich um einen Auszug aus einer „kaiserlichen Botschaft“ von 1881. Der Kaiser, Wilhelm I., kündigt dort neu einzuführende Sozialversicherungen an, die wenige Jahre später realisiert wurden. Und wissen muss man schließlich noch, dass damals die Arbeiter politisch sehr aktiv, und natürlich noch sehr links waren.

Also: ... sondern auch ...
19. Jhd.

Autor und Werk

Kaiserliche Botschaft an den Reichstag vom 17. November 1881.

Lösung

„... sondern auch eine Aufgabe staatserhaltender Politik, welche das Ziel zu verfolgen hat, auch in den besitzlosen Klassen der Bevölkerung die Anschauung zu pflegen, dass der Staat nicht bloß eine notwendige, sondern auch eine wohltätige Einrichtung sei.“

Man möchte also den rebellischen Arbeitern klarmachen, dass auch für sie gesorgt wird – bevor sie die Sache selbst in die Hand nehmen.

Das ist der / einer der Ursprünge des berühmten europäischen „Sozialstaates“ – in Deutschland. Einen großen zweiten Schritt machten dann die Briten nach dem 2. Weltkrieg.

Verben

annehmen verfolgen pflegen
20180929


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